GESCHRIEBEN VON

Lars Ax

So finden Sie die richtige E-Commerce-Strategie

Geschrieben von Lars Ax

„Die Welt wird digital“, denkt sich der Mittelständler. „Die Welt ist digital“, weiß der Kunde schon lange. Um den Anschluss nicht zu verlieren, und um die Vorteile des E-Commerce optimal zu nutzen, müssen mittelständische Unternehmen ihre Internet-Aktivitäten in einer gewissen Reihenfolge durchführen. Denn die Gefahr, sich auf dem „neuem Terrain“ zu verlaufen, ist groß. Wir beschreiben in dieser Blaupause ein typisches Vorgehen, das natürlich an die Bedürfnisse Ihres Unternehmens angepasst werden sollte – zunächst im ersten Überblick in Stichworten, dann im Detail.

Phase 1: Einstieg in den E-Commerce

A) Strategie und Grob-Planung (typische Dauer: ca. 3-4 Wochen)

  1. Vision formulieren
  2. Strategische Wettbewerbsvorteile herausarbeiten
  3. Gegebenenfalls Szenarien planen
  4. Messbare Ziele definieren
  5. Online-Kennzahlen in betriebswirtschaftliche Ergebnislogik überführen
  6. Implikationen für Organisation, IT und Prozesse herausarbeiten
  7. Gesamte Organisation frühzeitig „mit auf die digitale Reise“ nehmen: Chancen aufzeigen und Ängste nehmen
  8. Meilenstein-Planung erstellen

B) Umsetzung „Lean Launch“ (Dauer: maximal 3-4 Monate)

  1. „Lean Launch“ planen
  2. Agilität in der Umsetzung und enge Abstimmung forcieren
  3. Frühzeitige Ergebnis-Reviews durchführen
  4. Resultat: qualitätsgesicherte erste, mehrwertbringende Ausbaustufe ist online, Messbarkeit ist etabliert

Phase 2: Kontinuierliche Weiterentwicklung im Jahreszyklus

C) Überprüfung der Ziele (monatlich)

  1. Auswertung der KPIs (Key Performance Indicators = Erfolgskennzahlen) durchführen: erstmalig einen Monat nach Launch, dann Analyse ca. 1x monatlich
  2. Abgleich mit Baseline von „vorher“ (falls möglich) herstellen
  3. Steuerstand mit Erfolgskennzahlen einrichten
  4. Auf Basis der Erreichung von Meilensteine und Ergebnismessung: „Sind wir auf dem richtigen Weg?“

D) Aktualisierung von Meilensteinplanung und Szenarien (1x jährlich)

  1. Ggf. „Aktivierung“ eines vorbereiteten Szenarios (z.B. zur Reaktion auf Wettbewerbsaktivität)
  2. Prüfung und Weiterentwicklung strategischer Wettbewerbsvorteile
  3. Ergebnis: aktualisierte Roadmap (Meilensteine 1-2 Jahre)

E) Themenliste und Priorisierung (quartalsweise)

  1. Themenliste laufend führen und bewerten nach Mehrwert und Aufwand (Mini Business Cases)
  2. Priorisierung (auf Basis der „Budget-Matrix“, s. u.)

F) Quartalsplanung und Umsetzung (rollierend kontinuierlich)

  1. Maintenance-Aufwand nicht vergessen (Sicherheit, Erweiterbarkeit…)
  2. Vorgehen jeweils analog zu „Lean Launch“: agile Methodik, enge Abstimmung, frühe Reviews
  3. Proaktive Projektsteuerung und Steuermeetings

A) Strategie und Grobplanung (einmalig)

„Wer nicht weiß, wo er hin will, kommt nie an.“ Damit Sie Ihre E-Commerce-Aktivitäten von Anfang an effektiv steuern und alle für die Zukunft erwarteten Ausbaustufen Ihres Onlineverkaufs bereits konzeptionell berücksichtigen können, ist die Formulierung einer Vision vor Beginn jeglicher Umsetzungs-Aktivitäten zwingend erforderlich („Wo stehen wir im E-Commerce in 2-3 Jahren?“). Typischerweise führen Sie dafür einen Strategieworkshop durch, an dem die zentralen Entscheidungsträger aus kaufmännischer Geschäftsleitung, Marketing und Vertrieb, IT, Logistik und Produktmanagement teilnehmen. Zusätzlich werden in diesem Workshop nachhaltige, strategische Wettbewerbsvorteile herausgearbeitet:

  • „Was können wir besser als unsere wichtigsten Wettbewerber?“
  • „Wofür stehen wir in der Branche?“
  • … letztlich: „Was ist unsere Existenzberechtigung am Markt?“ (Beispiele: Produktbreite/-tiefe, Preispunkt, Servicequalität, Liefergeschwindigkeit, Individualisierung, Prozessqualität, Flexibilität, Partnernetzwerk)

Die übergeordnete strategische Zielsetzung wird nun überführt in messbare operative Ziele. Leitfrage: „Wie verdienen wir damit Geld?“ Anhand dieser Frage können Sie Prioritäten setzen und geplante Aktivitäten auf einer Zeitachse in einen Meilensteinplan eintragen.

B) Umsetzung „Lean Launch“ (einmalig)

Neuer evolutiver Ansatz für optimalen Wertbeitrag von E-Commerce-Aktivitäten

Der Beginn der Implementierung sollte streng dem „Lean“-Gedanken aus der industriellen Fertigung folgend mit einem Lean Launch (= schlanker Start) beginnen. Dies bezeichnet den kleinstmöglichen Entwicklungsschritt, den Sie nehmen können, um mit dem Onlinevertrieb zu beginnen; auf ihm bauen weitere Aktivitäten auf. Zwingend ist die Etablierung von Messbarkeit ein Kernelement des Lean Launchs: Sie können nur dann Entscheidungen zur zielgerichteten Optimierung und Erweiterung Ihres Onlineauftritts treffen, wenn Sie wissen, welche Elemente Umsatz erzielen.

Der Zeitraum von Projektstart bis zu „go-live“ eines Lean Launches sollte maximal 3 – 4 Monate betragen. Es hilft, sich in dieser Phase eng mit dem Dienstleister abzustimmen und gemeinsam frühzeitige Reviews von Zwischenergebnissen (alle zwei Wochen) durchzuführen.

Vorteile dieses schrittweisen Vorgehens: Suboptimale Phasen und langwierige „Pausen“ im Fortschritt werden vermieden und es entsteht eine kontinuierliche Evolution statt gelegentlicher „Aufholjagden“ durch eine Sequenz größerer „Relaunches“.

C) Überprüfung der Ziele (monatlich)

Nachdem Sie Ihre Ziele klar definiert und sichergestellt haben, dass sie gemessen werden können, beginnt nun ein sich zyklisch wiederholendes Muster von Aktivitäten für die zielgerichtete Optimierung und Erweiterung Ihrer Verkaufsplattform.

Ausgangspunkt ist die typischerweise monatliche Überprüfung, ob die angestoßenen E-Commerce-Aktivitäten sich in die richtige Richtung im Sinne der Zielvorgabe entwickeln. Zu diesem Zweck erfolgt monatlich die Auswertung der definierten KPIs sowie, falls verfügbar, der Abgleich mit einer vorab definierten Baseline. Für die Einbeziehung kaufmännischer Entscheider hat sich die Einrichtung eines Steuerstands mit Erfolgskennzahlen bewährt, in dem die wichtigsten Kennzahlen und Entwicklungstrends auf einen Blick für nicht-technische Adressaten sichtbar werden.

D) Aktualisierung von Meilensteinplanung und Szenarien (jährlich)

Einmal pro Jahr erfolgt der „Schritt zurück“ und der Blick auf die Entwicklung des Onlinevertriebs aus übergeordneter Perspektive. Bewährt hat sich die Einrichtung eines jährlichen Strategieworkshops mit dem gleichen Teilnehmerkreis wie zu Beginn der E-Commerce-Aktivitäten (siehe A). Dort werden regelmäßig die Vision, Zielsetzung, angestrebte strategische Wettbewerbsvorteile und somit die grundsätzliche Strategie hinterfragt.

Ziel dieses Strategieworkshops ist letztlich die Überprüfung der Meilensteinplanung und ggf. eine Änderung oder Ergänzung abhängig vom bisherigen Fortschritt. Eine Meilensteinplanung enthält typischerweise 2 – 3 klar definierte Zielpunkte für die nächsten 1 – 2 Quartale sowie für die fernere Zukunft 1 – 2 Zielpunkte pro Jahr.

Falls mehrere Szenarien vorbereitet wurden (beispielsweise Reaktionen auf Wettbewerbsaktivitäten), entscheidet dieses Gremium über die Auswahl desjenigen Szenarios, das die Zielerreichung mutmaßlich optimiert.

E) Themenliste und Priorisierung (quartalsweise)

Priorisierung von Aktivitäten auf Basis von Jahresbudget oder Schwellwert aus Mehrwert/Aufwand

Wie wird nun über die konkrete Vorgehensweise entschieden? Was soll als erstes implementiert werden? Die Antwort liegt auf der Hand: Aus einer laufend geführten Themenliste werden diejenigen Aktivitäten priorisiert, die das beste Verhältnis aus Aufwand und erwartetem Mehrwert bieten.  Zu diesem Zweck werden Mini Business Cases für identifizierte Erweiterungs- oder Optimierungsaktivitäten erstellt; d. h. der Investition in E-Commerce-Aktivitäten (z.B. den Kosten des Dienstleisters) wird ein anzunehmender Nutzen (z. B. zusätzlicher Umsatz durch verbesserte Conversion, reduzierten Transaktionskosten durch Prozessautomatisierung) entgegengestellt.

Grundsätzlich sollten nun abhängig davon, was Unternehmen und Dienstleister leisten können so viele Aktivitäten ausgewählt werden, wie die finanziellen und zeitlichen Kapazitäten erlauben.

Beispiel: Abhängig vom Jahresbudget wird eine bestimmte Anzahl von Aktivitäten mit hohem erwartetem Mehrwert priorisiert (im Beispiel oben: Aktivitäten 1 bis 3), während alle weiteren (Aktivitäten 4 bis 7) zumindest im folgenden Quartal nicht weiterverfolgt werden.

F) Quartalsplanung und Umsetzung (kontinuierlich)

Für die im vorigen Schritt ausgewählten Aktivitäten folgt nun die Detailplanung und Implementierung, jeweils analog zum Lean Launch-Ansatz (agile Methodik, enge Abstimmung, frühzeitige Reviews).

Zu beachten ist, dass ein bestimmter Teil des Budgets (von Team- bzw. Dienstleister-Kapazität) für die Erhaltung der Betriebsbereitschaft der Plattform reserviert werden. Typischerweise entfallen etwa 10% eines Jahresbudgets auf Wartung, Sicherheitsreparaturen und Bugfixing.

Besonderen Stellenwert hat für die erfolgreiche Projektarbeit eine „proaktive“ Projektsteuerung. Im Gegensatz zu einem reaktiven Projektmanager bringt ein proaktiver Projektmanager Probleme auf den Tisch, bevor Konsequenzen offenbart werden, stellt auch unangenehme Fragen frühzeitig und zeigt bei zu treffenden Entscheidungen mehrere Optionen und die damit verbundenen Folgen auf.

Als Entscheidungsgremium im Rahmen der Umsetzung wird ein Steuerkreis eingerichtet (typischerweise bestehend aus einem Teil der Teilnehmer am Strategieworkshop), der alle 3 – 4 Wochen den Fortschritt des Projekts überwacht, Zwischenstände korrigiert und ggf. steuernd eingreift, wenn Projektziele und/oder Zeitplan gefährdet sind oder auch unerwartete Marktentwicklungen (z.B. Wettbewerberaktivitäten) auftreten.

Zusammenfassung und Empfehlungen

Unterschiedlicher Fortschritt der digitalen Transformation in verschiedenen Branchen

Systematisches Vorgehen bringt bei der Suche nach der richtigen E-Commerce-Strategie „Licht ins Dunkel“. Durch die strukturierte Vorgehensweise in kleinen, klar definierten Schritten wird das Investitionsrisiko erheblich reduziert. In vielen Fällen schmerzhaft: Man muss sich von althergebrachten Denkmustern lösen und „Altbewährtes“ grundsätzlich hinterfragen – eine Mammut-Aufgabe vor allem für mittelständische Traditionsunternehmen. Dies bedeutet keine Abkehr von den Erfolgsfaktoren der Vergangenheit, sondern eine Übertragung der eigenen Stärken in das digitale Geschäft.

Die gute Nachricht: Im Gegensatz zum Medienbereich oder Einzelhandel ist in vielen Branchen der Fortschritt der Digitalisierung noch überschaubar, so dass auch „Nachzügler“ noch auf den Zug aufspringen können.

Abschließende Empfehlungen:

  1. Jetzt im E-Commerce starten, weiteres Zögern dürfte fatal sein
  2. Gezielt Wissen im Unternehmen aufbauen (Dienstleister für Wissenstransfer nutzen)
  3. E-Commerce und Digitalisierung als dauerhaften Change-Prozess, als Transformation für Ihr Unternehmen begreifen: Dies ist kein einmaliges Projekt, sondern der neue Normalzustand

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© Sitewards GmbH
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© Boston Consulting Group - „How to Jump-Start a Digital Transformation“ von September 2015