GESCHRIEBEN VON

Boris Meixner
Der Berater für Digitale Transformation und Digital Marketing leitete über 20 Jahre Digital- und E-Commerce-Abteilungen namhafter Agenturen und Marken. Zur digitalen Expertise gehören auch Stationen im Business Development bei letsbuyit.com, als E-Commerce-Manager im Versandhandel sowie 6 Jahre Geschäftsführer einer eigenen Agentur in Frankfurt/M. Weitere Fragen zu Augmented Reality und digitalen Kanälen können gerne über XING gestellt werden.

Von Augmented Reality (AR) profitieren

Geschrieben von Boris Meixner

Das Thema „Augmented Reality“ (AR) hört man immer wieder mal, der etwas sperrige Begriff der „Erweiterten Realität“ geistert schon ein paar Jahre durch die Medien, aber so richtig einordnen kann man ihn bisher nicht. Noch schwieriger ist es, den möglichen Nutzen für das eigene Geschäft einzuschätzen und greifbar zu machen. Dieser Artikel gibt einen ersten Überblick.

Wie Augmented Reality funktioniert und verwendet wird kann man am Besten anhand der zwei meistgenutzten Apps beschreiben:

1. Pokemon Go

In der Spiele-App „Pokemon Go“ müssen unterwegs virtuelle Monster eingefangen werden, die in der echten Umgebung erscheinen. Horden von Jugendlichen, die in Parks oder öffentlichen Plätzen in Ihre Smartphones starren, waren keine Seltenheit. Gelauncht wurde die App im Juli 2016 und wurde mittlerweile über 1 Milliarde mal geladen. Zu Spitzenzeiten haben 45 Mio. User das Spiel gleichzeitig gespielt.

Pokemon Go Screenshot

2. IKEA Place

Eine zweite Anwendung, die fast jeder kennt, ist die App „IKEA Place“, die meistgenutzte kommerzielle App zur Visualisierung von Möbeln und Einrichtungsgegenständen in der eigenen Umgebung.

Das Anwendungsszenario ist so einfach wie genial: Ein Sofa auswählen und vor dem Kauf virtuell mit dem Smartphone zuhause betrachten. Was bisher nur mit dem Katalog oder über Bilder auf der Website möglich war, geht nun dreidimensional, sehr realistisch und maßstabsgetreu in der eigenen Wohnung.

IKEA Place Screenshot

Mit diesen beiden Anwendungsfällen ist auch die Funktionsweise der „erweiterten Realität“ bestens beschrieben: Virtuelle Objekte (Möbel, Figuren oder auch Informationen) werden in der echten Umgebung dargestellt. Dabei wird auch die Position des Betrachters berücksichtigt, d.h. man kann beispielsweise um ein Objekt herumlaufen und es aus allen Richtungen maßstabsgetreu betrachten.

Beide genannten Beispiele haben gemeinsam, dass vorher die entsprechende App geladen und installiert werden muss – es gibt jedoch eine faszinierende Alternative – dazu gleich mehr.

Kurze Abgrenzung zu VR

Im Gegensatz zur erweiterten Realität wird bei der Virtuellen Realität „VR“ das gesamte Erlebnis künstlich generiert. Für eine optimale VR-Erfahrung werden spezielle geschlossene Brillen benötigt, um den Nutzer komplett in die computergenerierte 3D Welt eintauchen zu lassen. Sensoren erfassen die Blickrichtung und Kopfbewegungen. Häufig genutzt werden VR Brillen für Spiele und Entertainment oder in der Industrie für Gestaltung und Konstruktion. Meist werden zusätzliche Controller zur Steuerung benötigt, die in den Händen gehalten werden.

Oculus Brille
Oculus Brille angezogen

Wie kann mein Geschäft davon profitieren? Und wie fange ich an?

Besonders im Bereich E-Commerce kann die vorherige Betrachtung von Produkten in der eigenen Umgebung eine entscheidende Rolle im Kaufentscheidungsprozess spielen, die weitaus überzeugender ist als Bilder oder Videos.

Eine über die Dauer von 3 Monaten in England durchgeführte Studie zu AR zeigt deutliche Ergebnisse:

  1. Nutzer beschäftigen sich mit mehr Produkten, und mit diesen dann auch 2-3 mal länger
  2. Die Conversion (Umwandlung von Besuchern zu Käufern) steigt. AR hilft also mehr zu verkaufen, stark abhängig von der Kategorie von +30% bis +280%
  3. Die Retourenquote sinkt. Ein sehr willkommener Nebeneffekt, besonders bei großen, schweren und teuren Artikeln. Denn wer das Sofa oder das Sideboard an der richtigen Stelle im eigenen Wohnzimmer bereits gesehen und sich dann dafür entschieden hat, wird es seltener zurücksenden. Das gilt auch für weitere Sortimente wie Gasgrills, Balkonmöbel, Gartenhütten uvm.

Wichtig

AR sollte in einem Webshop immer zusätzlich angeboten werden, nicht anstelle von Bildern und Videos, sondern additiv als weitere Möglichkeit, sich ausgiebig mit den Produkten zu beschäftigen.

Der entscheidende Punkt: Niemand möchte sich vor oder während des Stöberns noch eine zusätzliche App herunterladen, die dann nur in einem Shop funktioniert und im nächsten nicht mehr.

Die Lösung: AR auf jeder beliebigen Seite - ohne App

Für die allermeisten Anwendungsfälle ist die perfekte Lösung AR, die direkt auf einer Website funktioniert und für jeden direkt im Browser ohne App sofort nutzbar ist: webAR.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von ar.londondynamics.com zu laden.

Inhalt laden

Der Einbau in die eigene Website ist dabei genauso einfach wie z.B. ein Video von YouTube einzubinden: Mit einem sog. „Snippet“ („Code-Schnipsel“) lässt sich AR in jedes beliebige E-Commerce- oder Content-Management System einfügen.

Der Anbieter stellt das Snippet zur Verfügung, welches in alle digitalen Kanäle eingebaut werden kann. Die Besucher können sofort Ihre Produkte in 360° betrachten und nach Hause holen. Die Beispiele wurden exakt so eingebettet.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von ar.londondynamics.com zu laden.

Inhalt laden

Jedes Objekt ist in 360° frei zu bewegen und kann beliebig vergrössert und verkleinert werden.
 Die Größe des Snippets kann dabei vom Webseitenbetreiber individuell angepasst werden.

Mit „View in your space“ startet das eigentliche AR-Erlebnis:
 Auf einem mobilen Gerät ist es sofort auf einer ausreichend großen freien Fläche zu platzieren und lässt sich danach aus allen Blickwinkeln betrachten.

In der Desktop/Web-Ansicht erscheint ein QR Code für das Smartphone.

Herangehensweise für Unternehmen

Prüfen Sie, ob es in Ihrem Sortiment Produkte oder Objekte gibt, die sich in 3D darstellen lassen. Sollten Sie bereits 3D Daten aus der Konstruktion oder Fertigung haben ist die einmalige Umwandlung von 3D zu AR in der Regel einfach, schnell und kostengünstig.

Das menschliche Auge entlarvt schlecht gemachte Visualisierungen sofort. Achten Sie daher bei der Auswahl des Anbieters auf die bestmögliche optische Ergebnisse, beispielsweise Schatten oder Reflektionen der echten Umgebung auf dem virtuellen Objekt.

AR gilt als künftige Schlüsseltechnologie für die Darstellung und Visualisierung von Produkten. Hiervon wird hauptsächlich das ohnehin boomende E-Commerce Geschäft profitieren. Auch in der Medizin, der Spiele-Industrie, im Bereich E-Learning sowie B2B Industrie wächst die Bedeutung von Augmented Reality Anwendungen.

Woran kann man erkennen, dass AR eine immer größere Rolle spielen wird?

Alle großen Anbieter investieren massiv in die Entwicklung von Technologien, Produkten und Services. GAFA (Google – Apple – Facebook – Amazon) und viele weitere gehen zwar mit leicht unterschiedlichen Ansätzen ins Rennen, aber alle sind mit hohen Investitionen und Innovationskraft bereits einige Jahre dabei.

  1. Google beginnt, animierte AR in Suchergebnissen anzuzeigen. Was jetzt wie eine nette kleine Spielerei aussieht (Saurier und Insekten), wird künftig nachhaltig E-Commerce beeinflussen. Wir können getrost davon ausgehen, dass AR in den Suchergebnissen auch Einfluss auf das SEO Ranking haben wird und einen wichtigen Faktor bei Google Shopping darstellen wird. Durch die Erweiterung ARCore sind die meisten Android Smartphones in der Lage, AR darzustellen.
  1. Apple ist mit der Entwicklung des ARKit im mobilen Betriebssystem iOS führend und hat bereits im ersten Produkt (iPad Pro) einen LiDAR Sensor verbaut, der sicherlich in weiteren mobilen Geräten enthalten sein wird. LiDAR erfasst millimetergenau auch die Tiefeninformationen von Räumen und Objekten und macht damit AR noch präziser und Fotos noch besser. Darüber hinaus können bereits heute schon Produkte in der Augmented-Ansicht direkt gekauft werden. Und es verdichten sich die Anzeichen für den Start einer Apple AR Brille.
  2. Facebook entwickelt nach eigenen Angaben derzeit ebenfalls eine AR Brille. Darin fliessen die Erfahrungen der ebenfalls zu Facebook gehörenden Oculus Brillen ein (Rift, Quest und Go, siehe oben). Die Entwicklungsumgebung SparkAR zur Erstellung von visuellen Effekten und Filtern steht Entwicklern bereits seit über 2 Jahren zur Verfügung. In einem veröffentlichten Strategiepapier geht Facebook sogar von einer Ablösung von Smartphones durch AR-Devices Mitte bis Ende der 20er aus.
 Microsoft (Hololens2) und zahlreiche weitere Anbieter wie Magic Leap treffen ähnliche Aussagen.
  3. Amazon hat mit der Entwicklungsumgebung Sumerian eine Plattform geschaffen, auf der 3D/AR/VR Anwendungen entwickelt werden können, die dann auf allen Amazon-Diensten (Amazon, AWS Cloud, Alexa, Twitch etc.) ohne weiteren Download zur Verfügung stehen. In der eigenen App können neuerdings mit „Room decorator“ auch mehrere virtuelle Einrichtungsgegenstände gleichzeitig platziert werden, die dann mit einem Klick alle gemeinsam im Warenkorb landen.

Fazit

Augmented Reality wird in immer mehr digitalen Themenbereichen, Services und Webseiten Einzug halten. Genau wie jedes Smartphone heute mindestens 2-3 Kameras hat, so ist auch jedes aktuelle Gerät in der Lage, Augmented Reality darzustellen. Es gibt heute bereits 2,9 Mrd. Geräte, die AR-fähig sind. Online-Kaufentscheidungen können damit positiv unterstützt werden. Daher ist es sinnvoll, dieses Thema in der eigenen Digitalstrategie zu berücksichtigen und bereits heute damit Erfahrungen zu sammeln.

Die Entwicklung einer eigenen App ist dafür nicht mehr zwingend nötig. AR kann heute sehr einfach in jede Website eingebunden und im Browser dargestellt werden – wie in diesem Blog-Beitrag.

Bildrechte

© Pokemon Go
© IKEA Place
© Oculus
© Amelia Holowaty Krales / The Verge