10.10.1025
Vibecoding: Wie kleine Unternehmen ohne Programmierkenntnisse eigene KI-Apps entwickeln können
Künstliche Intelligenz verändert nicht nur Marketing und Vertrieb, sondern auch die Softwareentwicklung selbst. Mit „Vibecoding“ entsteht ein neuer Ansatz, bei dem Apps und Webanwendungen mithilfe von KI erstellt werden – ganz ohne klassische Programmierkenntnisse. Die Expertin Iman Ismail-Martens von Freesma erklärt, wie dieser Prozess funktioniert, welche Tools sich eignen und worauf Einsteiger achten sollten.
1. Was steckt hinter Vibecoding?
Der Begriff „Vibecoding“ wurde von Andrej Karpathy, Mitgründer von OpenAI, geprägt. Gemeint ist eine neue Art der Softwareentwicklung, bei der Menschen ihre Ziele und Ideen in natürlicher Sprache formulieren – die KI übernimmt den Rest.
Im Gegensatz zum klassischen Programmieren, bei dem Zeile für Zeile Code geschrieben wird, entsteht Software hier kollaborativ. Die KI versteht das gewünschte Ergebnis und erstellt daraus funktionierenden Code, Designs und Strukturen.
2. Warum das jetzt möglich ist
Vibecoding funktioniert nur, weil drei technologische Entwicklungen zusammenkommen:
- Leistungsfähige Sprachmodelle (LLMs), die Code verstehen und schreiben können.
- Spezialisierte KI-Agenten, die auf Softwareentwicklung trainiert sind.
- Moderne Cloud-Infrastrukturen, die das Bereitstellen von Web-Apps mit wenigen Klicks ermöglichen.
Damit kann heute jeder, der eine Idee hat, in kürzester Zeit eine funktionsfähige Anwendung erstellen – auch ohne Entwicklerteam.
3. Der Prozess in drei Schritten
- Planung: Zuerst wird das Ziel der Anwendung beschrieben – am besten in einem sogenannten Product Requirements Document (PRD). Dieses kann man gemeinsam mit ChatGPT oder Claude erstellen.
- Bauen: Anschließend wird das Projekt in natürlicher Sprache mit einem KI-Tool umgesetzt. Tools wie Loverable, Bolt, Manus oder Riblit helfen beim Aufbau von Frontend, Backend und API.
- Fehlerbehebung: Debugging bleibt Teil des Prozesses. Hier hilft es, Fehlermeldungen per Screenshot an die KI zu geben und sich Schritt für Schritt zur Lösung führen zu lassen.
4. Die wichtigsten Tools für Einsteiger
Für das Backend empfehlen sich besonders Supabase (Open Source) oder Firebase (Google). Wer grafisch starten möchte, kann mit Figma UI-Entwürfe erstellen.
Wichtig: Open-Source-Plattformen sind öffentlich – sensible Projekte sollten daher besser auf privaten Cloud-Lösungen laufen.
5. Chancen und Risiken
Der größte Vorteil liegt in der Demokratisierung der Softwareentwicklung. Start-ups und KMU können eigene MVPs (Minimum Viable Products) selbst entwickeln – ohne hohe Entwicklungskosten.
Risiken bestehen vor allem in Datenschutz und Tool-Auswahl. Viele Plattformen sitzen außerhalb der EU und sind nicht DSGVO-konform. Zudem entwickeln sich Tools rasant weiter – was heute funktioniert, kann morgen schon ersetzt sein.
6. Erfolgsfaktoren: Lernen, prompten, dranbleiben
Martins betont, dass Erfolg mit Vibecoding weniger von Technikkenntnissen abhängt als von Kommunikationsfähigkeit. Wer gut formulieren kann, lernt schnell, gute Prompts zu schreiben.
Sie empfiehlt:
- Mit Vorlagen oder bestehenden Templates zu starten
- Prompt-Bibliotheken als Inspirationsquelle zu nutzen
- Kontinuierlich Neues auszuprobieren
- Eine offene, neugierige Haltung zu behalten
7. Praxisbeispiel: Vom 100.000 €-Projekt zum eigenen KI-Tutor
Martens Unternehmen Freesma GmbH entwickelte mit Vibecoding einen eigenen KI-Tutor für Finanzthemen – ursprünglich sollte ein Entwicklerteam dafür 100.000 € kosten. Stattdessen entstand das MVP mithilfe von KI-Tools, was nicht nur Kosten, sondern auch Zeit sparte. Das Beispiel zeigt: Vibecoding eröffnet KMU echte Chancen, selbst digitale Produkte zu entwickeln.
Fazit: Digitale Kompetenz ist der Schlüssel
Vibecoding ist kein Ersatz für Entwickler, sondern ein Werkzeug, das kreative Ideen schneller in Anwendungen verwandelt. Mit der richtigen Haltung – lernbereit, experimentierfreudig, offen für KI – können auch kleine Unternehmen aktiv an der digitalen Zukunft mitgestalten.
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